Die Faktoren die das Gesamtgewicht einer Bienenbeute beeinflussen, lassen sind relativ einfach aufzählen:
Die aus den genannten Einzelbeiträgen bestehende Veränderung des Gesamtgewichts wird für drei typische Situationen in Detail erläutert werden. Die Reihenfolge der drei Beispiele ist in steigender Komplexität gewählt (das letzte Beispiel lässt sich mit dem Erlernten aus den ersten zwei viel besser verstehen).
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Winter, eine Zeit ohne Tracht und Bienenflug
In Winter hat die Gewichtskurve einen relativ ruhigen Verlauf, das Gewicht nimmt kontinuierlich ab. Die Neigung der Linie zeigt den Futterverbrauch des Bienenvolkes und kann zwischen den Völkern stark variieren. Die grüne Fläche zeigt den Futterverbrauch binnen 24-Stunden. Gelegentlich kann es zu plötzlichen Gewichtsveränderungen kommen, zwei typische Beispiele sind im Bild unten dargestellt:
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ein „Schneebuckel“: es hat kurz geschneit, kurz danach ist der Schnee wieder geschmolzen,
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plötzliche Sprünge nach unten und oben deuten z.B. auf eine verschneite oder vereiste Waage hin (bei Temperaturen über Null ist alles wieder i.O.)
Gewichtsmuster – Winter (ohne Bienenflug und ohne Tracht)
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Sommer oder Herbst – eine trachtlose Zeit mit Bienenflug
In Verlauf der Gewichtskurve zeigt sich auch im Sommer/Herbst eine kontinuierliche Gewichtsabnahme (Bild unten) die dem Futterverbrauch des Bienenvolkes entspricht. Tagsüber herrscht fast immer Flugwetter. Die Bienen fliegen in großer Anzahl raus und absolvieren Erkundungsflüge was durch die Gewichtsabnahme (E) erkennbar ist. Alle Bienen kehren abends wieder zurück. In ihrer Abwesenheit ist die Beute durch den Futterverbrauch und die Energieumwandlung der Ammenbienen schon etwas leichter geworden (grüne Fläche), die Gewichtsabnahme geht auch über Nacht weiter.
Wenn Bienen nennenswerte Mengen Pollen mitbringen, kann dies an einer Gewichtszunahme über die grüne gestrichelte Linie erkannt werden. Diese zusätzliche Gewichtszunahme ist mit der gestrichelten roten Linie dargestellt. Selten kann der Polleneintrag höher ausfallen als die Gewichtsabnahme durch den Futterverbrauch, so dass der gesamte Gewichtsverlauf trotzdem fast immer nach unten zeigt. Bei einem gesamten Gewichtszuwachs innerhalb eines Tages, handelt es sich i.d.R. doch um kleinere Mengen Nektar die sporadisch irgendwo gefunden werden (Läppertrachten).
Gewichtsmuster – Sommer/Herbst mit Bienenflug, ohne Tracht oder mit Pollen
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Frühling oder Sommer – eine Zeit mit Bienenflug und Tracht
Die Interpretation eines Gewichtsmusters in der Trachtzeit mit Flugwetter ist etwas komplizierter. Wie auch in den letzten beiden Diagrammen ist der reine Futterverbrauch mit grüner Fläche dargestellt (Bild unten). Die nächtliche Gewichtsabnahme verläuft aber deutlich schneller als im Beispiel davor und folgt nicht mehr der grünen Fläche. Die blaue gestrichelte Linie mit einer weiteren Fläche in Diagramm zeigt die Neigung des nächtlichen Gewichtsverlaufs. Die blau/graue Fläche zeigt die Wasser-Verdunstungsrate aus dem am Vortag frisch gesammelten Nektar („Aufdickung“ des Neckars). Die Nachtverdunstungsrate ist von folgenden Faktoren abhängig: Wassergehalt des Nektars, Temperatur, Luftbewegung, Umgebungsfeuchtigkeit und freie Oberfläche. Der in eine Wabenzelle eingelagerte Nektar hat eine kleine freie Oberfläche, das Wasser würde von alleine kaum verdunsten. Durch ständige Umfüllung und Umlagerung (die Bienen machen das mit „Züngeln“) werden dem Nektar nicht nur Enzyme zugegeben sondern die bei diesem Prozess entstehende freie Oberfläche fördert die Verdunstung des Wassers und ermöglicht die Aufdickung des Nektars zum Honig.
Gewichtsmuster – Frühling/Sommer mit Tracht
Der nächtliche Gewichtsverlust (auf 24 Stunden umgerechnet) ist die Summe des Futterverbrauchs und der „Nektar-Verarbeitungskapazität“ eines Bienenvolkes. Sie bleibt über Tage (manchmal sogar Wochen) stabil und konstant. Diese Zahl ist zwar relativ unabhängig von den äußeren Einflüssen, unterscheidet sich aber von Volk zu Volk, bzw. von Beute zu Beute. Wie diese annähernd ermittelt werden kann, ist im nächsten Kapitel unten beschrieben.
Die stärkere Gewichtsabnahme nach dem Sonnenaufgang zeigt den Start eines „Bienenarbeitstages“ wo die ersten Bienen herausfliegen um sich auf die Suche zu begeben oder direkt zu einer aktuell bekannten Trachtquelle zu fliegen. Der lokale Tiefpunkt (T) ist der Zeitpunkt wo sich ein kontinuierlicher Trachtfluss in die Beute eingestellt hat indem die ersten zurückkehrenden Bienen Nektar mitbringen. Aus der mit (E) markierten Gewichtsdifferenz kann die Anzahl der Bienen berechnet werden, die unterwegs sind. Diese Bienen befinden sich entweder im Hinflug zur Tracht, sind beim Sammeln am Ziel oder fliegen mit der wertvollen Ladung zurück nach Hause. Eine gewisse Anzahl Flugbienen führt zusätzliche Erkundungsflüge in alle Richtungen durch. Diese Bienen sind hier auch mitgezählt.
Die rote gestrichelte Linie „tägliche Eintragsrate“ zeigt die Gewichtszuwachsrate, bzw. die Menge Nektar, die tagsüber eingetragen wird. Diese ist von der Tracht-Intensität und –Entfernung anhängig und kann mehrere Kilogramm an einem Tag betragen. An sehr heißen Tagen ist um die Mittagszeit oft ein Wendepunkt (W) sichtbar. Dieser entsteht dadurch, dass viele Flugbienen ihre Sammelflüge kurz unterbrechen um bei der Kühlung der Beute (Fächern) zu helfen.
Abends, nach der „Arbeitszeit“ kehren die von mehreren Flügen erschöpften Bienen nach und nach zurück und bleiben in der Beute. Die Eigengewichte dieser zurückkehrenden Bienen sind in dem Gewichtseintrag abends auch mitenthalten. Fast alle Bienen die morgens rausfliegen und mehrmals hin und her fliegen, kehren abends zurück, bis auf Wenige die draußen den natürlichen Tod sterben oder durch Vögel und andere Feinde gefressen werden. Diese mit (B) gekennzeichnete „Bienen“-Fläche entspricht der Fläche der morgendlichen Gewichts-Delle, nur so ist die gesamte Gewichtsbilanz vollständig und geschlossen.
Dieses Muster wiederholt sich jeden Tag. Der Nektar-Eintrag geschieht nur am hellen Tag, die Verdunstung und der Futterverbrauch gehen Rund um die Uhr mit etwa gleichem Tempo weiter.
Gewichtsveränderungen durch Futterverbrauch – an Beispielen erklärt
Die meisten Faktoren verändern sich viel stärker tagsüber als in der Nacht. In der Nacht ist alles ruhiger: keine Biene verlässt den Bienenstock, keine Sonneneinstrahlung verfälscht die Messung, die Linie nimmt kontinuierlich ab und zeigt kaum Gewichtsschwankungen.
Der Futterverbrauch lässt sich am besten aus der nächtlichen Gewichtsabnahme der trachtlosen Zeit ermitteln. Wenige Tage nachdem es keine Tracht mehr gibt, ist der ganze Nektar zum Honig verarbeitet worden und die nächtliche Gewichtsabnahme zeigt alleine den Futterverbrauch des Bienenvolkes. Dieser ist vor allem von der Volksstärke und Brutmenge abhängig. Nach der Schwarmsaison bleibt die Volksstärke noch eine Weile konstant, bevor sie nach der Sommersonnenwende wieder langsam abnimmt.
Das nächste Bild zeigt zwei Bienenvölker unterschiedlicher Stärke in der zweiten Junihälfte. Die Neigung der nächtlichen Geraden ist relativ konstant. Im jeweiligen Diagramm haben alle blauen Linien exakt die gleiche Neigung, im oberen Diagramm beträgt sie minus 2kg/Tag, im unteren minus 1,1 kg/Tag (diese Zahl ist auf den gesamten Tag von 24 Stunden umgerechnet).
Die nächtliche Gewichtsabnahme bei zwei Bienenvölkern unterschiedlicher Größe
Auch wenn sonst alles gleich erscheint, bestimmen z.B. folgende Faktoren die Gewichtsabnahme in der Nacht:
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Die Stärke und die Besonderheiten des Bienenvolkes (Fleiß und Effizienz):
Mehr und fleißigere bzw. besser organisierte Bienen können mehr Nektar verarbeiten. -
Die Beutenart, mit ihrer Speicherfläche und ihrer Lage in der Beute:
Die Porosität des Beutematerials bzw. die Luftzirkulationsmöglichkeit bestimmt, wieviel Wasser nach Außen entweichen kann. Wenn die Innenfeuchtigkeit gegen 100% ansteigt, kann das Wasser trotzdem nicht mehr in die gesättigte Zargenluft entweichen. -
die Menge und der Wassergehalt des Nektars: In den Trachtzeiten übersteigt dieser „Verdunstungsbedarf“ die „Verarbeitungskapazität“ des Bienenvolkes. Daher stellt sich eine etwa konstante Gewichtsabnahme ein, obwohl in der Beute immer mehr Nektar/Honig lagert und immer mehr Wasser aus dem Nektar „auszutreiben“ ist.
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Die Temperatur beeinflusst zusammen mit der Feuchte die Entweichgeschwindigkeit des Wassers.
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Die Jahreszeit und die Trachtverhältnisse:
Wenn z.B. bei verdeckelten Honigzellen nur Pollen eingetragen wird, bleibt das Gewicht über Nacht konstant (Pollen ist wasserfrei).
Empirie zeigt, dass die ersten 2 Faktoren eine überwiegende Rolle spielen und diese verändern sich nur langzyklisch im Laufe des Jahres.
Nicht zu vergessen ist: Die tatsächlich gemessene Gewichtsveränderung beinhaltet noch Messfehler bzw. Messschwankungen:
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starke Temperatur- und Feuchtigkeitsschwankungen beeinflussen das Verhalten der Bienen, aber auch das Gewicht der Bienenbeute. Das Holz „atmet“ und nimmt dabei Feuchtigkeit auf bzw. gibt sie ab,
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unterschiedlich starke direkte Sonneneinstrahlung auf die Wägezellen verfälscht die Messergebnisse. Die Temperaturkompensation kann das nur bedingt korrigieren,
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die Bienen fliegen ständig ein und aus- in unterschiedlicher Anzahl. Auch Wind und Wetter verfälschen die Gewichtsbestimmung: ein Regenfilm auf dem Blechdeckel, Schneeschicht, Vibrationen durch Wind, usw. bringen einen „unruhigen“ Kurvenverlauf,
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je nachdem ob der Beuteboden offen ist oder nicht, fällt der Abfall unten durch, oder bleibt in unserem System und wird weiterhin mitgewogen.
Diese Messschwankungen bringen „Unruhe“ in den Gewichtsverlauf. Das oben beschriebene Grundmuster bleibt aber trotzdem erkennbar.
Wie hoch alleine der Futterverbrauch ist, erkennt man in der trachtlosen Zeit. Nach kurzer Zeit ist der gesamte Nektar zu Honig verarbeitet und die Zellen verdeckelt, die Verdunstung kommt zum Erliegen. Die nächtliche Gewichtsabnahme in der sommerlichen trachtlosen Zeit ist der reine Futterverbrauch eines noch stark brütenden Volkes, Diagramm unten links. Die täglichen Dellen sind Erkundungsflüge der Bienen, an vielen Tagen werden kleine Mengen Pollen eingetragen.
Diese Gewichtsabnahme fällt im Winter viel kleiner aus, Bild unten rechts zeigt das gleiche Volk. Dann ist wenig, bzw. keine Brut vorhanden und die täglichen Ausflüge entfallen. Einige Peaks entstehen durch „Schneebuckel“ oder vereiste Waagen.
Die Futterverbräuche im Winter sind in diesem Beispiel ungewöhnlich hoch und auf die Volksgröße zurückzuführen. Das Volk sitzt mitten im Winter auf 2 Zargen mit jeweils 9 vollen Wabengassen. Das ist viel für ein Volk in Winter. Die Blüte eines großen nahliegenden Rapsfeldes Ende Oktober hat dieses Volk nochmals in die Frühjahrsstimmung versetzt anstatt es in die Ruhephase überzuleiten.
Noch ein interessantes Beispiel von einem Imkerkollegen aus der Pfalz (Segeberger Beute) zeigt, wie sich an dem winterlichen Gewichtsverlauf Änderungen des Bienenvolkes nachvollziehen lassen. Am Gewichtsverlauf unten sind 3 Perioden klar erkennbar:
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Ende Januar verbraucht das kleine Volk sehr wenig Futter. Der Verlauf der Gewichtskurve mir sehr starken Ausreißern am Ende dieser Periode ist auf Schnee und eine vereiste Waage zurückzuführen (diese Werte können einfach ignoriert werden, danach hat die Waage wieder ganz normal funktioniert).
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Sobald Temperaturen draußen zum ersten Mal die Marke von 10°C erreichen, beginnt die Königin für wesentlich mehr Nachwuchs zu sorgen. Mehr Brut benötigt mehr Futter und mehr Pflege bzw. mehr „Heizung“. Der Futterverbrauch erhöht sich deutlich.
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Wenn in der zweiten Märzwoche die Mittagstemperaturen nach einer Kältephase wieder 10°C erreichen und die nächtlichen über dem Gefrierpunkt bleiben, beschleunigt sich das ganze nochmal um Faktor 2. Pro Woche ist jetzt 1kg Futter weg, die Futterversorgung darf jetzt auf keinen Fall abreißen, jetzt muss der Imker ganz genau schauen und bei Bedarf nachfüttern.
Das Verständnis dieser relativ klaren Gewichtsveränderungen hilft auf jeden Fall, etwas kompliziertere Fälle die in Frühjahr und Sommer auftreten besser zu verstehen. Diese Gewichtsverläufe beinhalten viele weitere Tracht- und Umwelteinflüsse, die im Einzelfall zu verstehen und zu analysieren sind.
Wer die Komplexität solcher Betrachtungen nicht scheut, kann nicht nur faszinierende Einblicke in die Bienenwelt genießen, sondern seine Bienenvölker auch optimal durch das Jahr bringen.